14 Temmuz 2016 Perşembe

Pressemitteilung: Zur Sprachpraxis von türkisch sprachigen Schülerinnen und Schülern im Bundesland Baden-Württemberg

@VeliAkademisiHD - Prof. Dr. Havva Engin vom Heidelberger Zentrum für Migrationsforschung und Transkulturelle Pädagogik (Hei-MaT) der Pädagogischen Hochschule Heidelberg führte 2014 im Rahmen des Projekts „Göçmen Türk Veliler İçin Veli Akademisi /Elternakademie für Eltern mit türkischem Migrationshintergrund“ eine Untersuchung zur Sprachpraxis von türkisch sprachigen Schülerinnen und Schülern im Bundesland Baden-Württemberg durch. Dazu befragte sie Schülerinnen und Schüler, welche den Muttersprachenunterricht besuchen, der von Lehrkräften aus der Türkei erteilt wird und dessen Inhalte von Seiten der konsularischen Vertretung der Türkei verantwortet wird.

Nach Angaben des Erziehungsattaché beim Türkischen Generalkonsulat in Karlsruhe besuchten im besagten Schuljahr ca. 10.942 Schülerinnen und Schüler den Türkischunterricht, der außerhalb der regulären Stundentafel angeboten wird.

Die Untersuchung wurde mittels eines halbstandardisierten Fragebogens mit offenen und hybriden Fragen durchgeführt. In die Auswertung sind die Antworten von 6125 Schülerinnen und Schüler eingeflossen; von diesen besuchten 60% die Grundschule, 15% die Werkrealschule, 15% die Realschule und 6% das Gymnasium.

Zu den Ergebnissen:

 Geburtsland der Schüler

Die befragten Schülerinnen und Schüler sind zu 92,0 Prozent in Deutschland geboren. Damit gehören sie zur zweiten bzw. dritten Generation der Migranten aus der Türkei.

 Besuch von Kindergarten

97,1 Prozent befragten Schülerinnen und Schüler geben an, den Kindergarten besucht zu haben. Somit wird deutlich, dass dieses Angebot in Baden-Württemberg von Familien mit türkischem Migrationshintergrund sehr gut angenommen wird.

 Persönliche Einstellung zum Schulbesuch

Von den befragten Schülerinnen und Schüler geben 50,8 Prozent an, dass sie gerne zur Schule gehen, 37,8 Prozent entscheiden sich fürs Mittelfeld und 9,8 Prozent gehen ungern zur Schule.

Eine Betrachtung der Angaben getrennt nach Schulformen zeigt auf, dass Grundschulkinder mit 62,6 Prozent besonders gern die Schule besuchen und die Zufriedenheit in der Sekundarstufe abnimmt.

 Persönliche Einstellung zum Besuch des muttersprachlichen Türkischunterricht

Den Türkischunterricht besuchen 67,1 Prozent der befragten Schülerinnen und Schüler gerne; 24, 2 Prozent haben eine neutrale und 5,3 Prozent eine negative Einstellung zu diesem Unterrichtsangebot.

Eine nach Schulformen differenzierte Betrachtung zeigt auf, dass der Türkischunterricht besonders bei Grundschülern beliebt ist. Die Zufriedenheit bei Schülerinnen und Schülern der Realschule liegt bei 61,7 Prozent, der Werkrealschule bei 60,7 Prozent.

Gymnasialschülerinnen und Gymnasialschüler geben zu 58,8 Prozent an, gerne dieses Angebot zu nutzen.

 Sprachpraxis der Schüler/innen

Von den befragten Schülerinnen und Schülern geben 57,9 Prozent an, dass sie zu Hause Deutsch und Türkisch sprechen. Für 27,8 Prozent ist Türkisch die Familiensprache und für 7,9 Prozent Deutsch. Insgesamt wird deutlich, dass viele Kinder und Jugendliche Kompetenzen in mindestens zwei Sprachen haben, teilweise sogar drei oder mehr Sprachen sprechen.


Eine Betrachtung der Kommunikation mit den einzelnen Familienmitgliedern ergibt, dass mit Müttern (56,0 Prozent) und Vätern (49,7 Prozent) verstärkt Türkisch gesprochen wird. Der Anteil an Befragten, die mit ihren Eltern Deutsch sprechen liegt bei den Vätern mit 26,3 Prozent etwas höher bei den Müttern (23,3 Prozent). An dritter Stelle steht die Kommunikation in zwei Sprachen (Mütter: 16,3 Prozent, Väter: 19,0 Prozent).



In Hinblick auf die Geschwister ergibt die Fragebogenerhebung eine andere Sprachpraxis: Die Kinder und Jugendlichen sprechen mit ihren Geschwistern zu 51,5 Prozent nur Deutsch; 16,1 Prozent sprechen nur Türkisch. 22,6 Prozent kommunizieren mit ihren Geschwistern in beiden Sprachen.


Diese Tendenzen zeigen sich in noch ausgeprägter Form in der Kommunikation mit den Klassenkameraden in den Schulpausen: 78,9 Prozent geben an, nur Deutsch miteinander und sprechen; 15,1 Prozent sprechen Deutsch und auch Türkisch und lediglich 3,9% sprechen in den Pausen nur Türkisch miteinander.


Eine andere Sprachpraxis zeigt sich in Bezug auf die Großeltern, mit denen 83,5 Prozent der Befragten nur Türkisch spricht. Jeweils 5 Prozent sprechen mit den Großeltern Deutsch bzw. unterhalten sich mit diesen in zwei Sprachen. Deutsch und Türkisch.


 Sprachpraxis nach besuchter Schulart

Die schulformspezifischen Tabellen bezüglich der Sprachpraxis zeigen, dass am häufigsten Grundschüler (9,6 Prozent) in der Familie nur Deutsch sprechen. Danach folgen Realschüler (5,6 Prozent), Werkrealschüler (4,4 Prozent) und Gymnasiasten (4,1 Prozent).

Die Antwort, in der Familie „nur“ Türkisch zu sprechen, ist am höchsten unter Grund- und Werkrealschülern und deutlich geringer bei Realschülern und Gymnasiasten. Bei den letztgenannten Gruppen dominiert in den Familien Zweisprachigkeit (Realschule: 66, 4 Prozent, Gymnasium: 72,5 Prozent).

Hinsichtlich der Kommunikation mit den Geschwistern wird deutlich, dass besonders Gymnasialschüler (60,7 Prozent) und Realschüler (56,3 Prozent) sich mit diesen nur in deutscher Sprache verständigen.

Die Auswertung der Antworten zeigt darüber hinaus, dass die deutsche Sprache vermehrt in den Schulpausen an Gymnasien (87,8 Prozent) sowie Grundschulen (81,6 Prozent) präsent ist.

 Persönliche Einschätzung der deutschen Sprachkompetenz

Die Deutschkompetenzen steigen mit voranschreitender Migrationsgeneration: In der 1. Generation schätzen 62,3 Prozent der Schülerinnen und Schüler ihre deutschen Sprachkompetenzen als gut ein; in der 2. Generation beträgt der Wert 77,8 Prozent, in der 3. Generation steigt er auf 85,4 Prozent an.


 Persönliche Einschätzung der türkischen Sprachkompetenz

Umgekehrt sinken – nach subjektiver Einschätzung der Befragten - die Türkischkompetenzen mit steigender Migrationsgeneration: In der 1. Generation bewerten die Befragten ihr Türkisch mit 72,8 Prozent als gut, in der 2. Genration liegt der Wert bei 63,6 Prozent, in der 3. Generation geht er auf 49,4 Prozent zurück.


Zusammenfassung der Ergebnisse

Von den Befragten Schülerinnen und Schülern …

  • sind 92% in Deutschland geboren.
  • haben 97% einen Kindergarten besucht.
  • gehen 50,8% gerne zur Schule. 
  • besuchen 67% gerne den muttersprachlichen Türkischunterricht.
  • sprechen in der Familie 57,9% Deutsch und Türkisch, 27,8 % nur Türkisch und 7,9% nur Deutsch.
  • sprechen 56% mit den Müttern und 49,7% mit den Vätern nur Türkisch. 
  • sprechen 51% mit ihren Geschwistern nur Deutsch und zu 16% nur Türkisch.
  • sprechen 83,5% mit Großeltern nur Türkisch; jeweils 5% sprechen mit ihnen Deutsch.
  • sprechen diejenigen verstärkt Deutsch als Türkisch, welche die Realschule oder das Gymnasium besuchen. 
  • bewerten 62,3% der 1. Generation ihre Deutschkompetenzen als gut; in der 2. Generation steigt der Wert auf 77,8% und in der 3. Generation auf 84,5%.
  • bewerten 72,8 % der 1. Generation ihre Türkischkompetenzen als gut; in der 2. Generation sinkt der Wert auf 63,8% und in der 3. Generation auf 49,4 % ab.

Diskussion der Ergebnisse

Die Antworten der befragten Schülergruppe lassen erkennen, dass über 90% von ihnen in Deutschland geboren sind und einen Kindergarten besucht haben.

Die Hälfte der Schüler gibt an, gerne in die Schule zu gehen. Den muttersprachlichen Türkischunterricht, dessen Besuch freiwillig ist, besuchen 67% gerne.

Aus den Antworten zu der lebensweltlichen Sprachpraxis wird deutlich, dass die Hälfte der Befragten in der Familie sowohl Deutsch als auch Türkisch spricht, also ein Sprachwechsel alltäglich ist. Betrachtet man die einzelnen Familienmitglieder genauer, so zeigt sich, dass über die Hälfte der Befragten mit den Eltern nur Türkisch kommuniziert; bei den Großeltern steigt dieser Wert auf über 80% an. Dagegen sprechen 51% der Befragten mit den Geschwistern nur Deutsch; 21% Deutsch und Türkisch.

Bei der Einschätzung eigener Sprachkompetenzen zeigt sich, dass zwischen den einzelnen Sprachen signifikante Unterschiede bestehen. Danach nimmt die deutsche Sprachkompetenz mit fortschreitender Generationsfolge zu; dagegen schätzen die Befragten ihre Türkischkompetenz mit fortschreitender Generationsfolge als schwächer ein.

Dieses Teil-Ergebnis kann als stetige Abnahme der Relevanz von Türkisch für die Befragten – sowohl in schulischen Kontexten als auch in familiären Kontexten – interpretiert werden.

Mit dem Besuch höherqualifizierender Schulformen wie der Realschule und dem Gymnasium sinkt die Motivation der Befragten, ausschließlich Türkisch zu sprechen. In der Familie wird Türkisch nur seitens der Eltern und der Großeltern praktiziert. In der Kommunikation mit den Geschwistern und den Schulfreunden spielt Türkisch dagegen nur eine untergeordnete Rolle. Die dominierende Sprache ist hier Deutsch.

Als Resümee ist festzuhalten, dass Türkisch als Migrationssprache mit fortschreitender Generationenfolge an Bedeutung verliert. Will sie in Deutschland als sprachliche Ressource weiterhin Bestand haben, so muss sie – neben den familiären Kontexten – auch in das reguläre schulische Fremdsprachangebot aufgenommen und damit systematisch vermittelt werden. @VeliAkademisiHD

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